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AutorenbildHanna

Thailand - Zeit für die echten Wasserratten

Aktualisiert: 14. Jan. 2020

Thailand hat seit einigen Jahren ein recht negatives Image wegen seiner unzähligen Möglichkeiten zum Pauschalurlaub und Sextourismus. Tatsächlich sehen wir dort sowohl Pauschalurlauber in riesigen Hotelkomplexen als auch Sextouristen im Ausgehviertel von Bangkok. Aber das ist nicht wirklich, was Thailand für uns ausmacht. Woran ich mich besonders gerne erinnere, das sind sehr freundliche, lächelnde Menschen, grün bewachsene tropische Inseln mit Traumstränden, super leckeres Streetfood, den Fahrtwind beim Rollerfahren. In diesem Beitrag geht es um Songkran, das thailändische Neujahrsfest, in das wir rein zufällig und völlig unwissend gerieten - ein Erlebnis der ganz besonderen Art.


8 Stunden Autofahrt. 4 davon klimatisiert - Gott sei dank. Dazwischen der Gang über die Grenze von Kambodscha hinüber nach Thailand, ein kurzer Spaziergang vorbei an Hotels, Spielkasinos, Obdachlosen im Niemandsland. Unendliches Schlangestehen am Einwanderungsschalter, die schwüle Hitze lässt den Schweiß unter unseren T-Shirts hinunterrinnen. Wir machen nur wenige Pausen, in denen wir die Beine ausschütteln, die Glieder strecken, schnell auf die Toilette gehen, bevor es weitergeht. Wir möchten rechtzeitig, noch vor Anbruch der Dunkelheit, auf Koh Chang ankommen, einer kleinen Insel am südöstlichen Ende des Landes.


Endlich nähern wir uns der Küste. Eine lange Schlange von Autos windet sich bis um die nächste Kurve und endet irgendwo weit hinten am noch nicht sichtbaren Fähranleger. Also ist es so gut wie aussichtslos, dass wir noch mit auf die Fähre kommen. Wir wissen nicht, ob es noch eine zweite heute gibt. Der Fahrer unseres Autos scheint sich unserer Lage bewusst zu sein - er fährt einfach an den stehenden Autos vorbei, überholt eins nach dem anderen - unser Glück, denn kurz nachdem wir die Fähre betreten, legt sie ab. 60 Minuten lang vom kühlenden Seewind umweht werden, 60 Minuten lang auf das blaue Meer schauen.


Dann, endlich, sind die grünbewaldeten Hänge der Insel deutlicher sichtbar, rückt auch der Fähranleger näher. Kurze Zeit später betreten wir erleichtert die Insel. Jetzt wird es weniger komfortabel und damit aufregend, die einzigen Taxis sind Pick-ups, auf deren Ladefläche Sitzbänke montiert wurden. Unsere Rucksäcke werden auf das Dach geschmissen und vertäut, wir zwängen uns mit anderen Menschen auf die zwei schmalen Sitzbänke.


Das voll beladene Auto kämpft sich langsam den ersten Berg hinauf. Koh Chang ist bergig, es gibt nur wenige Straßen, eine davon die Küstenstraße, die wir jetzt in Richtung unserer Unterkunft nehmen. Für mich ist es nach Indien erst der zweite Urlaub in Asien - ich sauge alles auf, was ich sehe, die Streetfood-Läden am Straßenrand, Supermärkte, Restaurants und Cafés, Rollerfahrer, die uns in riskanten Manövern überholen, das hin und wieder aufblitzende blaue Meer, das in der Sonne funkelt und nicht weit von der Straße entfernt liegt, auf der wir unterwegs sind.


Mir fällt noch etwas auf. Am Straßenrand stehen erstaunlich viele Menschen, in kleinen Gruppen, sie haben die Musik laut aufgedreht, sie tanzen und feiern. Dann fällt mir ein, dass jetzt Songkran ist - zumindest haben wir davon gehört. Aber was zum Teufel ist das eigentlich? Angesichts der Partys, die hier gefeiert werden, der überschwänglich guten Laune, die die Thais hier verströmen, beschleicht mich das Gefühl, dass es etwas sehr Bedeutsames ist - für die Thailänder und bald auch für mich.


Die Welt steht hier jedenfalls Kopf: Wir fahren an einem kleinen Laden vorbei, vor dem drei oder vier Thais stehen. Sie stehen neben riesigen Kübeln, aus denen sie nun kleinere Eimer befüllen, die sie anschließend voller Begeisterung und Kraft in unsere Richtung schwenken. Und ja, jetzt bin ich mir sicher, weil ich die Spritzer spüre, die es bis hinüber zu uns schaffen, ich bin mir sicher, dass es Wasser ist, und zwar Eiswasser. Nass und eiskalt.



Noch haben wir Glück, der Schwall kam von der anderen Seite, hat unsere armen Mitfahrer heftiger getroffen als uns. Sie sitzen uns gegenüber, lachen und jubeln mit den Passanten, scheinen Freude an der Abkühlung zu haben. Manche von ihnen sind klitschnass geworden.



Ich bin mir nicht sicher, wie ich das Ganze hier finden soll, muss an den Rucksack denken, der ganz ungeschützt auf dem Dach liegt und mein gesamtes Hab und Gut enthält, samt Papiere, Bücher, trockener Klamotten. Die nächste Ladung eiskaltes Wasser schwappt bereits auf unser Auto zu, diesmal ist es meine Seite, obwohl ich wieder nur einzelne Spritzer abbekomme. Ich frage mich, wie lange die Fahrt wohl noch dauert, weiß aber, dass es unmöglich ist, das Handy herauszusuchen und nachzuschauen.


Irgendwann komme auch ich nicht mehr darum herum: Die nächsten Eimer Eiswasser machen mich so richtig nass. Zwischen den Tropfen, die meine Brille herunterrinnen, versuche ich, auszumachen, aus welcher Richtung die nächste Ladung kommt. Manchmal liege ich richtig und kann mich ducken, manchmal nicht. Die Thais am Straßenrand scheinen eine Art Wettbewerb aus dem ganzen Spiel zu machen: Wer einen Volltreffer ins fahrende Auto landet, hat gewonnen, ist der jubelnde Sieger Songkrans, der König aller Straßenparties, der Kaiser aller Eiswasserkübel Koh Changs.



Zwischendurch immer wieder bewaldete Abschnitte, auf denen es ruhiger wird. Zeit zum Durchatmen und Zeit zum Frieren, denn es dämmert langsam, die tief stehende, schwächelnde Sonne und der Fahrtwind lassen uns frösteln. Dann wieder Musik, Party, Kübel, Eimer, Gartenschläuche, begeisterte Menschen. Ab und zu begegnen uns andere Pick-ups, die ganze Tonnen voll mit Wasser geladen haben und die Menschen am Straßenrand daraus so richtig nassmachen.


Irgendwann fällt mir auf, dass unser Auto immer genau dann langsam fährt, wenn wir an einer der Party-Hochburgen vorbeifahren. Es dauert, bis ich den Gedanken zulasse, dass das kein Zufall ist. Mit einem Blick nach vorne schließe ich einen Stau aus - das kann es nicht sein, nein, jetzt bin ich mir sicher, es ist ein abgekartetes Spiel: Der Fahrer unseres Pick-ups hat einen Pakt geschlossen, er fährt absichtlich dort langsamer, wo es für die Straßenkrieger etwas zu holen gibt (uns!). In Wahrheit ist nämlich er der stärkste Krieger Songkrans: Er sitzt in seiner trockenen Fahrerkabine, manövriert eine Ladung voller nichtsahnender Touristen durch die wichtigsten Schlachten, wirft uns gewissermaßen den Löwen zum Fraß vor und zwar nicht in der einsamen Savanne Afrikas, nein, im vollbesetzten Circus Maximus zu Zeiten von Julius Caesar.


Das Schlimmste ist, dass ich die einzige bin - auf dieser Straße und in diesem Auto - die das doof findet. Die anderen Touris neben mir feiern, jubeln, lachen. Ich muss schlucken. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich auch ein bisschen weinen. Nach der Anstrengung des ganzen Tages. Die da draußen und ich hier drinnen, so ausgeliefert. Lachen die über uns? Ich möchte nicht nass werden, nicht jetzt! Meine Tränen werden eins mit den kalten Wassertropfen, die mein Gesicht hinunterlaufen.


Irgendwann und irgendwie schaffen wir es bis zu unserer Unterkunft. Wir packen unsere Rucksäcke aus, hängen die nassen Sachen auf, die innerhalb kürzester Zeit wieder trocken sind. Der Ort entschädigt sofort für die Mühen der Anreise: Wir befinden uns hier direkt am Strand, haben Ausblick auf eine kleine, von türkisblauem Meer umgebene Insel und essen ein leckeres Curry, entspannt auf Thai-Matten. Die Welt ist in Ordnung und war sie für einen kurzen Moment aus den Fugen geraten, ist sie jetzt wieder gerade gerückt - und getrocknet.


Die Erinnerung an Songkran bleibt natürlich. Ich gebe zu, im Nachhinein ist alles etwas weniger schlimm und ich weiß, dass man wohl eher mit uns lachte als über uns, dass sich alle gegenseitig nassspritzten und nicht nur wir nass wurden. Und natürlich ist es nicht so, als hätte ich nicht auch schon wild, laut und nass den Kölner Straßenkarneval gefeiert... Eines habe ich nach dieser Fahrt auf jeden Fall gelernt: Die Thais wissen, wie man Spaß hat und ich werde nicht gerne nassgespritzt!


 

Songkran...

... ist das traditionelle Neujahrsfest nach dem thailändischen Mondkalender.

... findet vom 13. bis 15. April statt.

... ist ein Wort, das aus dem Sanskrit stammt.

... bedeutet, dass Buddha-Statuen mit Wasser übergossen werden.

... ist die Zeit der Säuberung und Erneuerung. Viele Thais reinigen in dieser Zeit ihre Wohnungen.

... wird auch in anderen Ländern Südostasiens gefeiert, zum Beispiel in Laos und in Kambodscha.


 

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